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21. März 2024

Kreative Interimsnutzung als Treiber des Innenstadt-Wandels

EXKLUSIVER GASTBEITRAG VON DR. KATRIN WOLFRAMM (HAMBURG KREATIV GESELLSCHAFT)
Dr. Katrin Wolframm leitet den Bereich Immobilien und Stadtentwicklung der Hamburg Kreativ Gesellschaft, Hamburgs Wirtschaftsförderung für die Kreativbranche
Foto: Hamburg Kreativ Gesellschaft
Das "Jupiter" in der Hamburger Mönckebergstraße
Foto: Hamburg Kreativ Gesellschaft

Einzelhandel im Erdgeschoss – Büros und Kontore in den oberen Etagen. Diese  Nutzungen prägen die Straßenzüge und Promenaden in der Hamburger Innenstadt rund um Rathaus, Binnenalster und Kontorhausviertel. Kein Wunder, dass während der Pandemie die Leere im Stadtbild in keinem anderen Hamburger Stadtteil so umfassend sichtbar wurde wie hier.  

Dass wir uns mit der Transformation der Innenstädte und Quartierszentren beschäftigen müssen, war schnell politischer und gesellschaftlicher Konsens. Den Sorgen des Einzelhandels mit Mitteln zur Bewältigung der Coronakrise zu begegnen, mehr als naheliegend. Der Leerstand wurde zum unübersehbaren Zeugnis gescheiterter Geschäftsmodelle – von den hochfrequentierten Lagen bis tief hinein in die Center und Passagen.

Für 1,50 Euro an den Neuen Wall

Das Programm Frei_Fläche: Raum für kreative Zwischennutzung setzt am Leerstand an und bietet Antworten auf gleich zwei drängende Herausforderungen: den Mangel erschwinglicher Räume für Kreativschaffende und den zunehmenden Leerstand von Einzelhandelsflächen. Im Auftrag der Stadt verwandelt die Hamburg Kreativ Gesellschaft mit dem Förderprogramm seit 2021 leerstehende Flächen in temporäre Ateliers, Werkstätten, Ausstellungsorte, Co-Working-Spaces und vieles mehr. Kreative zahlen im Rahmen des Förderprogramms einen monatlichen Beitrag von nur 1,50 Euro pro Quadratmeter. Während der Zwischennutzung verzichten Vermieterinnen und Vermieter zwar auf eine Mieteinnahme, das Programm deckt jedoch die laufenden Kosten des Leerstands, indem es alle Betriebs- und Nebenkosten übernimmt.

Die kreative Zwischennutzung sorgt für eine Belebung des Quartiers, schützt vor Vandalismus und fördert das kulturelle Leben. Kurzum: sie sorgt für die Einbindung der Immobilie in eine lebendige Infrastruktur. Der Aufwand ist gering, weil die Kreativ Gesellschaft Verträge stellt sowie passende Nutzungskonzepte vorschlägt und begleitet.

Kreativwirtschaft durchbricht die Abwertungsspirale

Anderthalb Jahre nach dem Programmstart – und über 100 Zwischennutzungen später – zeigt sich in puncto Innenstadt eine Tendenz: Die transformativen Prozesse der Stadtentwicklung brauchen ihre Zeit, ebenso die Projektentwicklung und Neuausrichtung von Objekten in der Immobilienwirtschaft. Gleichzeitig sind die raumgreifenden Veränderungen bereits da und beschleunigen sich wechselseitig. Wie kann es also gelingen, Zeit zu gewinnen, um neue Entwicklungsszenarien für einzelne Objekte, aber auch ganze Stadtbereiche zu erarbeiten?

Zum Zeitgewinnen gehört, die destruktiven Auswirkungen von Leerstand zu vermeiden. Denn Leerstand blockiert und setzt Abwertungsspiralen in Gang. Folgerichtig wird das Programm Frei_Fläche mit Haushaltsmitteln der Stadt Hamburg fortgesetzt. Fast alle institutionellen Immobilieneigentümer in der Innenstadt – aber auch in anderen Stadtteilen – nutzen das Programm und haben darüber die Zwischennutzung als Erweiterung ihrer Handlungsmöglichkeiten schätzen gelernt. Die Motive sind dabei sehr unterschiedlich: ob Freude an der Kunstförderung, der Abgleich mit der eigenen Social Resposibility Strategie oder die Adressbildung für einen neuen Standort. Im Dezember 2023 waren 42 leerstehende Flächen mit starken kreativwirtschaftlichen Konzepten gefüllt und erlebbar. Der Kreativplanet Jupiter, direkt am Hauptbahnhof, ist eine dieser Flächen. 

Das einzige Kaufhaus, das dich reicher macht 

Den Erfolg kreativer Zwischennutzung sieht man in Hamburg im Kleinen – und im ganz Großen. In der Mönckebergstraße ist das ehemalige Karstadt-Sport-Kaufhaus zu Deutschlands größter kreativen Zwischennutzung geworden. Im Jupiter können auf sechs Etagen und rund 8.000 qm Fläche Kunstausstellungen und Ateliers, Design-Shops, Café und Bar, Festivals und Partys erlebt werden. Dieses Nebeneinander ist keine Selbstverständlichkeit: Denn das Gebäude, optimiert für die Präsentation von Sportartikeln, eignet sich im jetzigen Zustand kaum für andere Nutzungen. Dank guter Kuration (und Lernkurve) ist mit Jupiter trotzdem ein Ort entstanden, an dem ein vielfältiges Programm der Kreativwirtschaft gezeigt und getestet wird. Mitten in der Stadt erreicht die Branche Menschen, die sie andernorts gar nicht oder schwer erreichen würde. Andersherum zieht der Kreativplanet ein Publikum an, das sich bisher selten in die Innenstadt bewegt hat. Das Resultat ist eine spürbare Belebung. 

Werden andernorts mit viel Aufwand Erlebnisse und Anziehungspunkte konstruiert, bringt die Kultur diese ganz selbstverständlich mit – wenn auch mit anderen Einnahmen. Es bleibt also abzuwarten, welche Eigentümerinnen und Eigentümer zukünftig zu welchen Renditekorrekturen bereit sind. Das gilt auch für langfristige Räume, die den Bedarfen und finanziellen Möglichkeiten der Kreativbranche gerecht werden. Die Kreativen jedenfalls sind gern in der Innenstadt und haben Lust auf all die Brüche und Umbrüche. An Ideen, wohin sich ein Ort entwickeln könnte, fehlt es ihnen nicht. Nur den Raum bringen sie nicht mit – dafür braucht es das Engagement der Immobilienwirtschaft.

Kreative Zwischennutzung: Auf dem Weg zum etablierten Instrument

Mit Frei_Fläche zeigt die Hamburg Kreativ Gesellschaft das Potential von kreativer Zwischennutzung. Mit gleichen Mechanismen werden mittlerweile weitere Mietverträge mit Kreativen geschlossen – unabhängig vom städtischen Förderprogramm. Erste Anzeichen also, dass sich die Zwischennutzung in der Immobilienwirtschaft als wertvolles Instrument etabliert. 

Zur Person

Dr. Katja Wolframm leitet den Bereich Immobilien und Stadtentwicklung der Hamburg Kreativ Gesellschaft, Hamburgs Wirtschaftsförderung für die Kreativbranche. Die gebürtige Schleswig-Holsteinerin studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Lüneburg und promovierte zum Thema „Region in der globalen Wirtschaft“. Hier ging es um das Erzeugen von Wettbewerbsvorteilen in der Ansiedlung von Unternehmen sowie um Cluster und Kooperationen in der Metropolregion Hamburg.

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