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29. November 2023

Auf dem Weg zum urbanen Gewerbequartier

INTERVIEW MIT STEFFEN UTTICH UND FABIAN SPOHN (INBRIGHT INVESTMENT)
Steffen Uttich (li.) und Fabian Spohn
Foto: INBRIGHT

Shopping Center bleiben für Investoren attraktiv, wenn sie sich von der Monokultur Einzelhandel verabschieden. Das sagen Steffen Uttich (Geschäftsführer) und Fabian Spohn (Senior Portfolio Manager) bei INBRIGHT Investment, in einem HI HEUTE-Doppelinterview. Der Fokus ihres Unternehmens mit Sitz in Berlin liegt auf Light-Industrial-Immobilien in wirtschaftsstarken Regionen in ganz Deutschland. 

HI HEUTE: Wie hat sich die Welt der institutionellen Immobilieninvestoren entwickelt? Vor 20 Jahren sah doch Vieles noch ganz anders aus, oder?

Steffen Uttich/Fabian Spohn: In der Tat. Damals war die Welt des deutschen instituti­onellen Immobilieninvestors eine Welt aus Schubladen: Schublade auf, Nutzungsart rein, Schublade zu. Sorten­rein war dann der Portfolioschrank sortiert nach Wohnen, Büro, Einzelhandel, Hotel. Manchmal fand sich sogar so etwas Exotisches wie Logistik darin. Eine Mischung war auf Objektebene jedenfalls nicht vorgesehen. Am besten ein Mieter mit einer Nutzung in einem Gebäude – das machte die Investition übersichtlich. Die Gewichtung der einzelnen Nutzungsarten auf Portfolioebene war für den Investor eine strategische Entscheidung, die er bitte­schön selbst treffen wollte.

Spätestens mit den Verwerfungen, die die Finanzkrise 2008 auch für den Immobilienmarkt mit sich brachte, war dieses Vorgehen nicht mehr zeitgemäß. Das Wunder der Risikostreuung fand langsam aber stetig seinen Weg von der Wertpapier- hinüber zur Immobilienanlage. Denn es ist das einzelne Objekt, welches letztlich über den Anla­geerfolg entscheidet. Und deshalb sollte schon dort die Risikostreuung schon ansetzen. Risikostreuung in der Immobilienanlage bedeutet also, viele Mieter mit unter­schiedlichen Nutzungsarten unter ein Dach zu bringen. Multi-Tenant/Multi-Use lautet das Erfolgsrezept, dass zwei wesentliche Zutaten verlangt: drittverwendungsfä­hige Flächen und einen Objektmanager, der mit vielen Mietern und verschiedenen Nutzungsarten umgehen kann. Im Ergebnis bekommt der Investor, was er erwar­tet: Stabile Mieteinnahmen und damit eine stabile Verzin­sung seines eingesetzten Kapitals.

HI HEUTE: Was wird die mittelfristige Zukunft für Investoren ausmachen?

Steffen Uttich/Fabian Spohn: Es ist genau dieses Wunder der Risikostreuung, das vielen in­nerstädtischen Shopping Centern in den nächsten Jah­ren ihren Status als etabliertes Anlageobjekt für institu­tionelle Investoren retten kann. Natürlich wird es auch künftig die Einkaufstempel geben, die durch ihre Lage und Reputation mit einer hohen Kundenfrequenz wei­terhin funktionieren. Aber das werden nur wenige sein. Der Großteil ist den Herausforderungen durch den On­line-Handel und veränderte Konsumgewohnheiten nicht mehr gewachsen. Für deren heutige Eigentümer gilt: sie müssen ihre Shopping Center neu erfinden.

Das klingt schwieriger als es ist. Denn eigentlich sind es nur zwei Stellschrauben, an denen gedreht werden muss. Die erste ist die Öffnung der Shopping-Center-Flächen – übrigens inklusive der teilweise überdimensionierten Park­flächen – für andere Nutzungsarten. Statt der Monokultur Einzelhandel mit einem Feigenblatt Gastronomie kann so ein buntes Quartier entstehen, in dem das ursprüngliche Mieter-Zielpublikum allenfalls noch die Hälfte oder weni­ger der heutigen Fläche belegt. Den Rest können zum Beispiel City-Logistiker, Handwerker mit ihren Werkstät­ten, Bildungseinrichtungen, Mediziner mit Laboren und nicht zuletzt Kreativunternehmen füllen.

Eine solche Objektstrategie kann ungeahnte Potentiale erschließen. So ist etwa davon auszugehen, dass die benachbarten Viertel durch die Verbindung von Arbeits­plätzen und Wohnorten belebt werden. Die horizontale Integration ermöglicht die Umsetzung flexibler Arbeits­zeit- und Familienkonzepte, ohne lange Pendelzeiten. Gleichzeitig kann durch die anderen Nutzungsarten neuer Publikumsverkehr generiert werden, der die Han­dels- und Gastronomieflächen belebt und die nötigen Umsätze ermöglicht. Zu besichtigen ist dieser Ansatz schon in Bochum, wo mit der Ansiedelung von urbaner Produktion aus der Not eine Tugend gemacht wird. Bei einem solchen Konzept können heutige Shopping Cen­ter eine zentrale Rolle spielen, wenn sie unter einem Dach die Produktion und den Vertrieb lokal hergestellter Waren verbinden.

HI HEUTE: Worin liegt beim Umnutzungsprozess die große Herausforderung?  

Steffen Uttich/Fabian Spohn: Die Kunst besteht darin, diesen Wandel zum Multi-Te­nant/Multi-Use-Objekt wirtschaftlich zu gestalten. Die Business-Pläne dürften dafür jedoch angesichts der an­dauernden Preiskorrektur im Shopping Center-Segment immer mehr Luft hergeben. Ein vermietetes Multi-Use-Center kann für Investoren weiterhin attraktive Ren­diten erzielen, selbst wenn die Mieterträge auf einem niedrigeren Niveau als bei der ursprünglichen Nutzung liegen. So sinken mit dem Leerstand etwa die daraus resultierenden Nebenkosten, die ansonsten der Vermie­ter tragen muss. Wird die Abwärtsspirale aus Leerstand und mangelhafter Frequentierung durch einen neuen Nutzungsmix unterbrochen, potenziert sich die Vorteil­haftigkeit. Werden beispielsweise in einem Center auf vielfältig nutzbaren Flächen Mieten von 15 Euro pro Quadratmeter ein Jahr lang durchgängig erwirtschaftet, ist das profitabler als ein Leerstand von sechs Monaten auf einer durchschnittlich für 30 Euro pro Quadratmeter vermieteten Fläche. Können hochwertige Dienstleistun­gen wie etwa Ärzte und Labore angesiedelt werden, ist sogar ein noch höheres Mietniveau zu erwarten. Orien­tiert sich der Ausbau der Multi Use-Flächen zudem an einer möglichst hohen Drittverwendungsfähigkeit, kön­nen die Kosten für künftige Meterausbauten niedriger angesetzt werden – war mehr Spielraum für die Han­delsflächen lässt, deren Verbleib im Center gewünscht ist. Hinzu kommen positive Effekte für Nachhaltigkeit, Finanzierung, Bewertung und Exit-Preis.

HI HEUTE: Und was ist in diesem Zusammenhang sonst noch wichtig?  

Steffen Uttich/Fabian Spohn: Vor allem das Objektmanagement. Ein erfolgreiches Asset und Property Management von Shopping Centern war schon immer eine ganz eigene Kunst. Die Balance zu halten aus der richtigen Laden­mischung und den maximal erzielbaren Mieten bei mög­lichst geringem Leerstand, ist ein smartes Geschäft. Aber es ist ein Geschäft von gestern. Hier Verständnis dafür zu entwickeln, dass neue Fertigkeiten benötigt werden, kann sich als hohe Hürde erweisen. An der Stelle des bisherigen Einzelhandelsvermietungskünstlers sind die Fähigkeiten eines Community-Managers gefragt, der sich auf die Besonderheiten ganz unterschiedlicher Nut­zer einstellen kann.

Wie in einem klassischen Gewerbepark gilt es, die Bedürfnisse der Mieter jederzeit im Blick zu behalten, ideale Flächen für die jeweiligen Zwecke bereitzustellen sowie auf Veränderungen im Betrieb während der Mietzeit einzugehen. Bei der Nachvermietung ist der angemessene Umgang mit Mietinteressenten jenseits der hoch professionalisierten Expansionsabteilungen aus dem Einzelhandel gefragt. Hier lässt sich aus dem Betrieb von Co-Working-Flächen einiges übertragen, vor allem aber aus dem Light-Industrial-Marktsegment. Es wäre deshalb keine große Überraschung, wenn sich demnächst Light-Industrial-Spezialisten mit ihrer Erfahrung im Management unterschiedlicher Nutzungsarten auf dem Shopping Center-Markt tummeln. Zwei Marktsegmente, die noch vor wenigen Jahren Lichtjahre voneinander entfernt schienen.

HI HEUTE: Was wird sich in Sachen Einkaufszentren konkret ändern?  

Steffen Uttich/Fabian Spohn: Vielleicht verlieren einige Shopping Center im Zuge die­ses Wandels ihre heutige Bezeichnung – heißen dann möglicherweise Urbanes Stadtquartier oder Urban Com­mercial Campus. Die gute Nachricht lautet aber für die heutigen Eigentümer, dass sich mit ihrem Bestand etwas machen lässt. Ein Abriss ist nicht notwendig. Vielmehr wird dem Gebot der Nachhaltigkeit gefolgt, graue Emis­sionen zu vermeiden, indem mit der Substanz gearbei­tet wird. So sind die heutigen Shopping Center eine viel nachhaltigere Geldanlage, als dies zum Zeitpunkt ihrer Errichtung noch den Anschein hatte.

 

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