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26. Juni 2024

Lieferdienste: Marktbereinigung inzwischen offensichtlich

AENGEVELT RESEARCH: EINFLUSS AUF IMMOBILIENWIRTSCHAFT
Lieferdienste für Lebensmittel befinden sich in einer Phase der Marktbereinigung.
Symbolbild: AdobeStock

Nach Analysen von Aengevelt galten Lieferdienste noch vor kurzer Zeit als Stars der Start-Up-Szene und als schnell expandierende, kapitalstarke Nachfragegruppe für innerstädtische Gewerbeflächen zur Einrichtung notwendiger kundennaher Warenlager. Inzwischen hat sich bei vielen Ernüchterung breit gemacht.

So zählt zu den Beispielen jüngster problematischer Entwicklungen die Unternehmensgruppe Getir, die erst den strauchelnden Branchenkonkurrenten Gorillas übernahm, sich nun aber selbst aus zahlreichen Märkten zurückzieht. Picnic expandiert dagegen kräftig weiter und steigert seine Jahresumsätze, indessen auch – zumindest bisher noch – seine jährlichen Verluste.

Lebensmittel-Lieferdienste sind keineswegs eine Neuentwicklung. So sind die Tiefkühlkostlieferanten Bofrost und Eismann bereits seit 1966 beziehungsweise 1974 auf dem Markt. Regionale Getränkelieferanten sind ebenfalls seit langem auf regionalen Märkten aktiv und haben mit Flaschenpost einen überregionalen Konkurrenten erhalten. Restaurants bieten seit Jahrzehnten Lieferdienste an, die sie zum Teil aus der Differenz zwischen vollem Umsatzsteuersatz für im Restaurant verzehrte Speisen und ermäßigtem Umsatzsteuersatz für gelieferte Gerichte finanzieren. In diesem Segment sind Online-Portale wie Lieferando hinzugekommen.

Neues Marktsegment

Ein neues Marktsegment sind Lieferdienste, die im Bereich der typischen Sortimente von Lebensmittel-Discountern wie Obst und Gemüse oder auch Milchprodukten Online-Bestellungen und Nach-Hause-Lieferungen anbieten. Hierzu zählen REWE, Flaschenpost, Gorillas und Picnic. Insbesondere dieses Segment benötigt dafür auch innerstädtische, kundennahe Gewerbeflächen, um dort das entsprechende Warensortiment zu lagern und in kurzer Zeit die Endkunden beliefern zu können.

Treiber des Business

Für die Expansion des Liefergeschäfts gibt es mehrere Treiber. So hat die Digitalisierung die Bestellvorgänge erleichtert und beschleunigt, sodass Kunden im Schnitt nur noch drei Minuten für eine Bestellung benötigen und so in der Regel über eine halbe Stunde wertvolle Zeit einsparen, die sie für einen Einkauf im Laden aufwenden müssten. Hinzu kommt, dass die Corona-Pandemie den Online-Handel insgesamt befeuerte, woran auch die Lebensmittel-Lieferdienste partizipierten. Der in der jüngeren Generation im urbanen Umfeld zunehmend zu beobachtende Verzicht auf eigene Kraftfahrzeuge lässt das Interesse an Lieferdiensten zusätzlich steigen. Die meisten dieser Faktoren werden laut Prognose von Aengevelt in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen, auch wenn die Pandemie überwunden ist und der stationäre Einzelhandel wieder Marktanteile zurückgewinnen konnte.

Trends mit typischen Zyklen

Allerdings handelt es sich bei den Lieferdiensten um einen „emerging market“. Aengevelt Research verweist darauf, dass solche neuen Entwicklungen und Trends typische Zyklen aufweisen, bis sie sich zu „reifen“ Märkten entwickeln. Typischerweise werden neuartige Waren oder Dienstleistungen zunächst von „innovators“ angenommen, die meist jünger sind, eine höhere Bildung und ein höheres Einkommen aufweisen, risikobereit und in der Lage sind, für neue Angebote oder Angebotsformen auch höhere Preise zu entrichten, weil sie sich als Avantgarde verstehen. Auf diese Pioniere folgen dann in der Regel „early adopters“, die sich ebenfalls durch höhere Bildung und höheres Einkommen auszeichnen und in der Nutzung neuer Waren oder Dienstleistungen eine willkommene Attraktion und zudem Quelle für Prestige sehen. Innovators und early adopters ermöglichen es Anbietern neuer Produkte, durch höhere Preise typische Anfangsverluste schneller zu kompensieren und Skaleneffekte zügiger zu erreichen, die nötig sind, um das Massenpublikum zu gewinnen. Elektronische Gadgets, Wellnessdienstleistungen oder Elektrofahrzeuge sind gute Beispiele für diesen emerging-market-Zyklus. Auf der Anbieterseite zeichnen sich emerging markets dadurch aus, dass in der frühen Phase zahlreiche Start-Ups auf die Märkte drängen, von denen einige durch in der Regel recht kapitalstarke Unternehmen übernommen werden, während es gleichzeitig zu einer Marktbereinigung kommt.

Verluste in Kauf genommen

Lieferdienste unterscheiden sich von anderen emerging markets dadurch, dass sie nicht mit besonders hochwertigen und hochpreisigen Produkten wie Bio-Lebensmittel oder Luxuskost gestartet sind. Stattdessen haben sie von Beginn an günstige bis extrem niedrige Lieferpreise verlangt, um so Kunden vom stationären Handel abzuwerben. Von Gorillas ist bekannt, dass eine Durchschnittsbestellung von 27,20 Euro zu einem Verlust von 5,30 Euro geführt hat, das sind knapp 20 Prozent. Massive Verluste sollten in Kauf genommen werden, um venture capital zu gewinnen und zunächst erst einmal Marktanteile zu erobern. Zurzeit befindet sich der Markt für Lieferdienste in einer Bereinigungsphase. Manches Start-Up musste bereits aufgeben, während der Einstieg von kapitalstarken Konzernen wie Edeka bei Picnic oder der Oetker-Gruppe bei Flaschenpost die Bereitschaft signalisiert, zum Teil längere bis mehrere Jahre Verluste in Kauf zu nehmen, um Marktanteile bis hin zu Alleinstellungen zu erobern. Branchenexperten sind sich weitgehend einig, dass – von Nischen für Spezialprodukte abgesehen – auf den Märkten für Lebensmittel-, Getränke- und Speiselieferdiensten am Ende nur noch einzelne Anbieter übrigbleiben, wenn die rigide Bereinigungsphase abgeschlossen ist. Außerdem deutet sich an, dass die Angebotspaletten zusammenwachsen, zumindest, was Lebensmittel und Getränke betrifft. Ein Beispiel ist das Unternehmen Flaschenpost, das zunächst als reiner Getränkelieferant startete, mittlerweile aber auch Lebensmittellieferungen anbietet.

Hierarchie von Standorten

Für Immobilieneigentümer bedeutet das, dass von Lieferdiensten angemietete Ladenlokale je nach Geschäftsentwicklung und strategischer (Neu-)Ausrichtung bereits nach relativ kurzer Zeit wieder aufgegeben werden könnten, zum Beispiel wenn sich die Anbieter aus dem lokalen Markt oder vollständig aus Deutschland zurückziehen. Umgekehrt werden die am Markt verbleibenden Lieferdienste eine Hierarchie von Standorten aufbauen – mit überregionalen Warenverteilzentren, städtischen Logistikzentren und kleineren bis mittelgroßen Hubs auf Stadtteilebene, unter anderem, wenn die Auslieferung per Lastenfahrrad und nicht mit Kleinlastwagen erfolgt. Im Rahmen dieser Entwicklungen werden kleinere Ladenlokale in Stadtteillagen mit deutlich unter 500 Quadratmetern für konsolidierte Lieferdienste kaum noch interessant sein, während sich demgegenüber Nachnutzungschancen für aufgegebene und leer stehende mittelgroße Einzelhandelsstandorte im innerstädtischen Bereich eröffnen. Dr. Wulff Aengevelt, geschäftsführender Gesellschafter von Aengevelt Immobilien: „Die Hoffnung, dass Lieferdienste eine Lösung für kleinere leer stehende Ladenlokale in 2B-Lagen darstellen, trägt nicht. Dafür bieten sie indessen eine Perspektive für ehemalige Supermärkte und Ladenlokale mit Verkaufsflächen zwischen 500 und 1000 Quadratmetern. Wenn die Phase der Marktbereinigung weitgehend abgeschlossen ist, werden die dann noch am Markt aktiven Lieferdienste in diesem Segment durchaus nachhaltige Mietverträge abschließen.“

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